Ambivalent Engagement: contemporary opera between populism and the postmodern
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Abstract
Für die deutschsprachigen Ländern lässt sich im Verhältnis zwischen Oper und Gesellschaft eine Bedeutungsverschiebung konstatieren. „Oper“ wird inzwischen wesentlich als derjenige Repertoirebetrieb verstanden, für den lebende Regisseur*innen angeheuert werden, um populäre Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert trotz ihrer fragwürdig gewordenen Ideologie, ihrer Rassismen und Chauvinismen durch szenische Rekontextualisierung wieder kommensurabel zu machen. Die kritische Perspektive solcher Regie verschafft dem Unwohlsein an der ideologischen Regression Raum und wehrt jenes Unwohlsein zugleich ab, um damit das in seiner musikalischen und textlichen Struktur unberührte Werk für den Genuss und das Geschäft mit der Regression zu retten. Gleichzeitig vergeben diese Institutionen auch Kompositionsaufträge für neue Opern. Diese Werke leiden jedoch unter zwei Ambivalenzen: i) der institutionellen Ambivalenz der Opernhäuser gegenüber den Werken; ii) der Ambivalenz der neuen Opern (und ihrer Schöpfer) gegenüber ihrem Publikum, die sich etwa in einer Art Befangenheit gegenüber Kategorien wie Erzählung, Identifikation und Vergnügen äußert.
In ihrem Beitrag schlagen der deutsche Komponist Hauke Berheide und die US-amerikanische Regisseurin/Librettistin Amy Stebbins eine Ästhetik des sogenannten „Ambivalent Engagements“ als konzeptionellen Rahmen für die Konstruktion von Erzählungen in der zeitgenössischen Oper vor. Der Artikel eröffnet mit einem historischen Überblick über die Ästhetik und die institutionellen Parameter der Nachkriegsoper im deutschsprachigen Kontext mit besonderem Augenmerk auf ihre Rolle im öffentlichen Raum. Hierzu bezieht er sich auf Opern von Helmut Lachenmann, Olga Neuwirth/ Catherine Filloux, Beat Furrer/ Händl Klaus, Anno Schreier/ Kerstin Maria Pöhler, and David T. Little/ Royce Vavrek. Anhand von Beispielen aus ihrer eigenen Oper Mauerschau (Bayerische Staatsoper, 2016) zeigen die Autoren, wie sie den reflexiven und intermedialen Charakter der Oper für groß angelegte Erzählungen zu nutzen versuchen, und so ihre eigenen inneren Widersprüche zu thematisieren vermag. Auf diese Weise versuchen Berheide und Stebbins, das einzigartige Potenzial der Oper aufzuzeigen, aktuelle Themen wie den Aufstieg des Neofaschismus als komplexes Phänomen sinnlich begreifbar zu machen, ohne etwa in die populistischen Affirmationen vor allem amerikanischer Oper auszugleiten.