Inventur. Annäherung an zeitgenössische Musiktheaterkonzeptionen für Opernbühne und Konzertsaal
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Abstract
Seit geraumer Zeit lässt sich in der Neue-Musik-Szene ein verstärktes Interesse an den Bedingungen und Möglichkeiten musiktheatraler Ausdrucksformen erkennen, dem auf musik- und theaterwissenschaftlicher Seite eine intensivierte theoretische Auseinandersetzung entspricht. Deren Manko liegt allerdings darin, dass ihr, ausgehend von experimentellen Musiktheaterformen des 20. Jahrhunderts, meist die Begrifflichkeit des ‚Musiktheaters‘ zugrunde gelegt wird, um eine Abgrenzung zum Begriff ‚Oper‘ zu schaffen, während eng an traditionelle Institutionen gebundene Arbeiten weitaus seltener gewürdigt werden. Genau mit diesem Repertoire befasst sich dieser Beitrag, der auf einem Vortrag basiert, der im November 2019 anlässlich eines Symposiums an der Deutschen Oper Berlin gehalten wurde: Anhand ausgewählter Projekte aus den zurückliegenden Jahren von Detlev Glanert, Moritz Eggert, Sarah Nemtsov, Evan Gardner und Olga Neuwirth werden unterschiedliche Strategien musiktheatralen Komponierens beleuchtet, die für die Veranstaltungsdispositive der Institutionen Oper und Konzertsaal geschaffen wurden. Die durch solche Fokussierung entstehende Kategorisierung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist als Denkhilfe gedacht, um bestimmte Phänomene und Entscheidungen, den Kompositionsprozess, die jeweiligen ästhetischen Lösungen und die Situation der Aufführung betreffend, besser einschätzen und bewerten zu können. Sie lässt Schlüsse auf die ästhetische Innovationsbereitschaft von Komponist*innen im Angesicht institutionalisierter Spielorte zu, sagt aber zugleich auch etwas aus über die Erwartungen, die an das Publikum gerichtet werden. Insofern bietet sie eine Diskussionsgrundlage, vor deren Hintergrund sich bestimmte Entwicklungen der aktuellen Musiktheaterproduktion besser einschätzen lassen.