Institution als Landschaft. Heiner Goebbels’ „entfernte Verwandte“ in künstlerischer Zusammenarbeit und Ausbildung
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Abstract
Wenn von der gegenwärtigen Theater- oder Opernlandschaft die Rede ist, ist damit meist die Möglichkeit des Publikums gemeint, aus einer Vielzahl distinkter, aber in sich erwartbarer institutioneller Angebote zu wählen. Nur wenige Künstler*innen haben versucht, Institutionen auch produktionsästhetisch als Landschaft zu begreifen, in der überraschende und dynamische Assoziationen ohne ein definierendes Zentrum möglich werden. Zu ihnen gehört Heiner Goebbels, der in seiner Arbeit komplexe Kompilationen von Genres, Stilen und Traditionen realisiert und dabei die unwahrscheinliche Zusammenarbeit verschiedenster Quellen, Produktionsorgane und Förderer organisiert. Zu seiner Verabschiedung von der Gießener Professur für Angewandte Theaterwissenschaft haben Mitarbeiter*innen eine Festschrift herausgegeben, die den Titel einer seiner Opern, Landschaft mit entfernten Verwandten, trägt und in Beiträgen zahlreicher Weggefährt*innen die enorme Heterogenität des Goebbelschen Netzwerks belegt.
Ausgehend von den vielfältigen Stimmen der Festschrift will der Beitrag dieses Netzwerk nachzeichnen, das sich gemeinsam mit Goebbels’ Texten über Ausbildung und Produktionsweisen als Alternative zu abgrenzenden Institutionen entwirft. Er versucht, das ästhetische Konzept der Landschaft (G. Stein, G. Simmel, H. Müller, Goebbels) auf die Beschreibung dieser institutionellen Neu-Formatierung zu übertragen. Goebbels Person besetzt darin kein Zentrum, sondern übernimmt vielmehr bewusst die Autor-Funktion (Foucault) stellvertretend für die produktive Dynamik in der Kreuzung der Existenzweisen von Technik, Fiktion und Wissenschaft (Latour), in dem künstlerisches Experiment und Institution einander auf paradoxe Weise voraussetzen und verunmöglichen (Menke).