Dialog – ein Weg durch die Krise
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Abstract
„Kinder, schafft Neues!“ Wagners vielzitierte Parole scheint gerade in Zeiten der (künstlerischen) Krise besonders beherzigt zu werden. Innovationen in Ästhetik und Produktionsprozessen des gegenwärtigen Musiktheaters bedingen einander, so haben unter anderem Experimente künstlerischer Kollaboration mit anderen Kunst- und Forschungsbereichen eine zunehmende Unschärfe in der gattungsästhetischen Differenzierung der theatralen Ergebnisse zur Folge. Neue künstlerische Formen bedürfen neuer analytischer Wege. David Roesner und Matthias Rebstock lenken mit ihrem composed theatre den Blick auf den Produktionsprozess, mein Vorschlag eines neuen analytischen Ansatzes dagegen fokussiert die Aufführung: Ich werde mich ausgehend von Bachtins Theorem der Dialogizität über den Begriff des Dialogs dem zeitgenössischen Musiktheater nähern, dabei speziell die Relation zwischen Performance, Publikum und Spielort in den Blick nehmen. Der Begriff Dialog lässt es aufgrund seiner Flexibilität und Dynamik zu, den so unterschiedlichen Ausprägungen zeitgenössischen Musiktheaters analytisch zu begegnen, speziell jenen, die neue Räume und mediale Konstitutionen befragen. Untersuchungen erfolgen auf mindestens zwei Ebenen: einer inhaltlichen, die sich auf die verhandelten Diskurse und die thematische Konzeption im regionalen, kulturellen und soziopolitischen Kontext des Aufführungsortes konzentriert, aber auch einer physisch-performativen, die die dialogischen Qualitäten und Interaktionen im außersprachlichen Bereich behandelt. Als Beispiel dient mir Accattone (Musiktheater nach Pasolini, Regie: Johan Simons, Kohlenmischhalle der Zeche Dinslaken-Lohberg, 2015). So möchte ich rufen: „Kinder, schaut neu!“